Herzlich willkommen
Altarschmuck zur Vor-Passion

Sonntag Estomihi, 11.02.2024

Der Sonntag Estomihi (lat. esto mihi = sei mir …) ist der letzte Sonntag der Vor-Passion. Noch einmal möchte ich mit dem Altarschmuck den Blick auf den Jesus richten und darauf, wie er den Menschen seiner Zeit begegnet ist. Und wie er uns darin bis heute herausfordert.

Im Vergleich zum letzten Sonntag ist der Altarschmuck nicht neu. Es besteht weiterhin aus einem Brett mit Fußspuren darauf, und darüber hängen die rosa Anthurien, die Flamingoblumen, so, als flögen sie davon. Und trotzdem hat sich etwas radikal verändert. Die Fußspuren auf dem Brett bewegen sich nicht mehr von rechts nach links, sondern von links nach rechts. Auch die aufsteigende Bewegung der Blumen geht jetzt in die andere Richtung. Alles bis auf das Kreuz ist um 180 Grad gedreht...

In den Evangelien wird Jesus als jemand beschrieben, der seine Mitmenschen herausgefordert, ja mitunter brüskiert. Er stellt ihre Perspektiven, ihre Sichtweisen radikal in Frage. Im Markus 3 lesen wir eine Begebenheit, die mit „Über die wahre Familie Jesu“ überschrieben ist: Jesus war in seine Heimat zurückgekommen, kehrte aber nicht bei seiner Familie ein. Nach dem Gebot, Vater und Mutter zu ehren, war das ein Affront. Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie glaubten er sei „von Sinnen“, also verrückt geworden. Wir lesen: „Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben draußen stehen und ließen ihn herausrufen. Es saßen viele Leute um ihn herum und man sagte zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich. Er erwiderte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ Was für eine Provokation.

Beim Lesen der Evangelien werden wir immer wieder wahrnehmen, dass Jesus kein Handschmeichler war. Er war auch kantig und hat vor den Kopf gestoßen. Denken wir etwa daran, was er in seiner Bergpredigt (Matthäus. 5-7) zum Töten, zur Versöhnung, zum Ehebruch, zum Schwören, zur Vergeltung, zur Liebe zu den Feinden und v.a.m. an Zumutungen verkündigte. Oder auch an seine Tempelaktion (Markus 11, 15-19), wo er die Tische der Geldwechsler und Händler umschmiss. Dort im Tempel, dem Herz des jüdischen Glaubens, wo Sünden vergeben werden, wo im damaligen Verständnis Gott selbst wohnt, machte Jesus einmal mehr deutlich, dass mit ihm eine neue, ganz andere Zeit anbricht. Das Alte passt nicht mehr.

Noch einmal zum Altarschmuck: Es war meine Absicht, eine Bewegung einzufangen, vielleicht ist es mir gelungen. In unserem Glauben in der Nachfolge Jesu sollten wir in Bewegung bleiben, im Aufbruch bleiben. Der evangelische Theologe Karl Barth hat sinngemäß gesagt, unser christlicher Glaube sei ein Vogel im Fluge nicht auf der Stange im Vogelzwinger, denn man kann Gott in kein System sperren. Wir müssen uns in unserem Glauben immer wieder neu herausfordern lassen und sicher gehört mit dazu, auch Sichtweisen zu ändern.

Michael Schönthal

 

Die Ev. Kirche in Friedrichstal ist täglich (9-17 Uhr), außerhalb von Veranstaltung offen zum Gebet 

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